Bremer Behörden haben es nicht eilig

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Registriert: So 8. Jan 2017, 18:35

Bremer Beratungsstellen üben Kritik
Ärger um neues Prostitutionsgesetz

Am 1. Juli tritt bundesweit das neue Prostitutionsgesetz in Kraft – auch in Bremen. Es soll Sexarbeitende künftig besser schützen. Mit dieser Gesetzesänderung geht eine Vielzahl von Neuregelungen einher.
Unter anderem müssen Prostituierte ab Juli einen Ausweis beantragen, an einem verpflichtenden gesundheitlichen Informationsgespräch teilnehmen und es wird eine Kondompflicht eingeführt. In Bremen betrifft das zwischen 500 und 700 Prostituierte. So viele Frauen haben nach Schätzungen der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) im vergangenen Jahr im hiesigen Gewerbe ihre Dienste angeboten. Bei welcher Bremer Behörde die neuen Zuständigkeiten ab Sommer angedockt werden, ist bisher jedoch noch völlig unklar.

Das sorgt bei den Bremer Beratungsstellen für Prostituierte für Unmut. „Wir haben von den Behörden noch überhaupt keine Informationen darüber erhalten, wer künftig zuständig sein wird“, sagt Manon Süsens von der Bremer Beratungsstelle Nitribitt. Dass das neue Gesetz kommt, sei schon seit Monaten klar, doch wie in vielen anderen Bundesländern hinke Bremen mit der Umsetzung bisher weit hinterher.

„Bei den Beratungen stellen uns die Frauen immer wieder die Frage, wo sie künftig hinmüssen. Für uns ist es frustrierend, weil wir keine Auskunft geben können“, so Süsens. Ähnlich schätzt das auch die Bremer Anlaufstelle (BBmeZ) für Frauen ein, die Opfer von Menschenhandel geworden sind oder zur Prostitution gezwungen wurden. „Mich würde es überraschen, wenn man all die Neuregelungen bis zum 1. Juli noch umsetzen kann“, sagt Mitarbeiterin Nicola Dreke.

Auch Betreiber sind betroffen

Von der Gesetzesänderung sind nämlich nicht nur Sexarbeitende, sondern auch Betreiber entsprechender Etablissements betroffen. Wer in Bremen künftig ein Prostitutionsgewerbe betreiben möchte, muss bei der zuständigen Behörde eine Erlaubnis beantragen. Dafür muss unter anderem ein Betriebskonzept geschrieben und vorgelegt werden. Außerdem wird die Zuverlässigkeit von Betreiber durch die Behörden geprüft.

Auf Nachfrage erklären sowohl die Bremer Innen-, die Sozial-, die Bau-, und die Wirtschaftsbehörde, nicht zuständig zu sein oder keine Frage zu dem Thema beantworten zu können. Wer ab Sommer übernehmen muss, wird in dieser Woche auch die Bremische Bürgerschaft beschäftigen. Die SPD-Fraktion fordert in der Fragestunde Antworten, ob die Wirtschaftsbehörde diese Aufgaben in Zukunft betreuen wird.

Die Fraktion sieht die landesrechtlichen und kommunalen Zuständigkeiten der fast ausschließlich gewerberechtlichen Regelung des Prostitutionsschutzgesetzes vor allem beim Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. Aus Behördenkreisen hat der WESER-KURIER erfahren, dass sich Vertreter der einzelnen Ressorts zu Beginn der Woche zusammensetzen wollen, um mögliche Zuständigkeiten festzulegen. Wie lange der Senat sich damit schon befasst, zeigt eine Anfrage der CDU-Fraktion aus dem Dezember 2016 zum Thema. Damals hieß es in den Antworten bereits: „Der Senat klärt derzeit die Federführung sowie die Ressortzuordnung.“

Bremer Behörden haben es nicht eilig

Bis zum Ende des Jahres gibt es eine Art Übergangsregelung zum Einführen des neuen Gesetzes. Die Bremer Beratungsstellen vermuten, dass es die Bremer Behörden deshalb noch nicht so eilig mit der Regelung haben. „Doch eigentlich ist diese Übergangszeit für die Frauen gedacht, damit sie sich daran gewöhnen und die Angebote wahrnehmen“, sagt Nicola Dreke von BBmeZ.

Inwiefern das neue Gesetz überhaupt den Zweck erfüllen wird, den sich die Gesetzgeber wünschen, ist umstritten. „Es wird ganz davon abhängen, wie es Bremen umsetzt“, sagt Bärbel Reimann von der ZGF. „Wenn nur Bürokratie geschaffen wird, werden die Frauen davon nicht profitieren.“ Die Beratungsstellen sind bisher skeptisch, wie viel die verpflichtenden Informationsgespräche tatsächlich bewirken werden. „Dass man in nur einem Gespräch feststellt, welche Frau das freiwillig macht oder ob diejenige dazu gezwungen wird, ist sehr unwahrscheinlich“, sagt Manon Süsens von Nitribitt.

Viele Prostituierte würden sich zudem um die Umsetzung des Ausweises sorgen, den sie ab Juli beantragen müssen. Die meisten der Sexarbeitenden wollen anonym bleiben. Wenn Bremen nichts Gegenteiliges anstrebt, wird auf den „Prostituiertenausweisen“ künftig der Klarname der Sexarbeitenden geführt. „Was ist, wenn die Frauen den Ausweis mal verlieren?“, fragt sich Manon Süsens. „Wir fordern, dass auf den Ausweisen das Pseudonym steht, unter dem die Frauen arbeiten. Die Klardaten können dann ja bei der Behörde hinterlegt werden.“
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