Begründung:
Zu § 10 (Gesundheitliche Beratung)
Zu Absatz 1
Die Erteilung der Anmeldebescheinigung ist an die vorherige Wahrnehmung der gesundheitlichen Beratung gekoppelt. Diese Aufgabe wird bei einer für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zuständigen Behörde angebunden. Dies sollte in der Regel das zuständige Gesundheitsamt sein. Diese Beratung ist deshalb so wichtig, weil die Arbeitsbedingungen und/oder prekären Lebensverhältnisse ein erhöhtes Risiko gesundheitlicher Gefahren für Prostituierte mit sich bringen können. Diesen Gefahren und Risiken soll durch eine präventive gesundheitliche Beratung effektiv begegnet werden. Außerdem soll die Beratung Prostituierten, die sich in einer Not- oder Zwangslage befinden, die Gelegenheit geben, dies ohne unmittelbare äußere Einflüsse gegenüber einer Vertrauensperson zu offenbaren.
Damit eine Beratung im Sinne eines kommunikativen Austauschs stattfinden kann, ist es erforderlich, dass die Beratung in einer Sprache erfolgt, die die beratene Person versteht.
Die für die Anmeldung zuständige Behörde hat ausschließlich hoheitliche Aufgaben, die sich auf die Anmeldepflicht beziehen. Schon vom Wortlaut her erfolgt die gesundheitliche Beratung unter anderen Kriterien und bedarf einer spezifischen Expertise; eine Anbindung beim öffentlichen Gesundheitsdienst erscheint daher als sachgerecht. Um den besonderen vertraulichen Rahmen der gesundheitlichen Beratung zu gewährleisten, sollten die Aufgaben der gesundheitlichen Beratung und der Beratung im Rahmen der Anmeldung gemäß § 7 Absatz 1 möglichst in getrennter fachlicher Zuständigkeit wahrgenommen werden.
Satz 2 räumt den Ländern eine Abweichungsmöglichkeit hinsichtlich der für die Aufgaben nach § 10 zu bestimmenden Behörden ein.
Zu Absatz 2
Die gesundheitliche Beratung kann dazu beitragen, Personen, die sich in einer sozialen und psychischen Situation befinden, die eine freie und selbstbestimmte Entscheidung über die Prostitutionsausübung ausschließt, weitergehende Hilfen zu vermitteln. Ferner kann die Regelung zur Bekämpfung von Kriminalität in der Prostitution wie Menschenhandel, Gewalt gegen und Ausbeutung von Prostituierten und Zuhälterei beitragen. Die oder der Prostituierte wird zu Beginn der Beratung über die Vertraulichkeit informiert, so dass ein offenes Gespräch geführt werden kann. Der Datenschutz ist in § 34 Absatz 7 speziell geregelt.
Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt den Ort der Wahrnehmung der gesundheitlichen Beratung und die Häufigkeit, mit der Prostituierte die gesundheitliche Beratung nach Absatz 1 vorzunehmen haben.
Prostituierte müssen die gesundheitliche Beratung bei einer dafür zuständigen Behörde im Zuständigkeitsbereich der Anmeldebehörde wahrnehmen, d. h. bei der Behörde, die für die gesundheitliche Beratung an dem Ort zuständig ist, an dem sie ihre Tätigkeit auch vorwiegend ausüben werden. Soweit am Ort der Anmeldung keine für die gesundheitliche Beratung zuständige Behörde vorhanden ist, ist die Behörde am nächstgelegenen Ort zuständig.
Die regelmäßige Wiederholung der Beratung ist sachgerecht und erforderlich, da sich sowohl die Lebensumstände, als auch die mit unterschiedlichen Tätigkeitsorten verbundenen Gesundheitsrisiken im Prostitutionsgewerbe sehr schnell verändern können. Dies gilt umso stärker, je jünger die zu beratenden Personen sind. Im Verlauf einer mehrjährigen Prostitutionstätigkeit können sich das eigene Risikoverhalten ändern oder andere Gesundheitsrisiken, beispielsweise Suchtmittelmissbrauch, in den Vordergrund treten.
Zudem zeigen Erfahrungen aus der Beratungsarbeit zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen, dass die Wissensvermittlung zu sexuell übertragbaren Infektionen erneuert sowie Informationen zur Verringerung des Übertragungsrisikos und Empfehlungen zum Schutzverhalten regelmäßig wiederholt werden sollten.
Darüber hinaus steht es Prostituierten frei, über regelmäßig zu wiederholende gesundheitliche Beratung hinaus weitere Termine wahrzunehmen. Unterstützt wird dieses Angebot durch eine entsprechende Pflicht der Betreiber nach § 24 Absatz 3 und 4, wonach diese Prostituierten jederzeit den Zugang zu gesundheitsbezogenen Untersuchungs- und Beratungsangeboten
ermöglichen müssen.
Zu Absatz 4
Über die erfolgte gesundheitliche Beratung wird als Nachweis voraussetzungslos eine personalisierte Bescheinigung ausgestellt, die ebenso wie die Anmeldebescheinigung auch auf den bei der Anmeldung angegebenen Aliasnamen ausgestellt werden kann.
Absatz 4 regelt die Inhalte der Bescheinigung über die gesundheitliche Beratung.
Zu Absatz 5
Die von der am Ort der Anmeldung zuständigen Behörde erteilte Bescheinigung über die gesundheitliche Beratung ist als Nachweisdokument auch für weitere, ggf. nach § 3 Absatz 2 erforderlich werdende Anmeldungen gültig.
Zu Absatz 6
Prostituierte sind verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit die jeweils aktuelle auf ihren Namen oder den auf ihrer Aliasbescheinigung genannten Alias ausgestellte Bescheinigung über die erfolgte gesundheitliche Beratung mitzuführen. Die Pflicht zum Mitführen der Bescheinigung schafft die Voraussetzungen dafür, dass bei behördlichen Kontrollen der Nachweis erbracht werden kann, dass der vorgesehene Beratungsturnus eingehalten wurde. Die Kontrollmöglichkeit dient auch dem Schutz der Prostituierten. Da sich Gesundheitsgefahren und -risiken, je nach Tätigkeitsort, im Prostitutionsgewerbe schnell verändern können, ist eine regelmäßige Wiederholung der Beratung sachgerecht. Zudem können Personen, die der Prostitution nachgehen, auch Fehleinschätzungen hinsichtlich der eigenen Risiken unterliegen, dies gilt umso mehr, je jünger und unerfahrener die Person ist. Die Pflicht zum Mitführen bezieht sich dabei auch auf räumlich und zeitlich der Anbahnung von Prostitution dienende Zusammenhänge, also z. B. beim Aufenthalt in einer für den Straßenstrich genutzten Zone oder beim Aufenthalt in einer Prostitutionsstätte.
Quelle: Im Gesetzentwurf enthaltene Begründung ab Seite 61